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Daniel Lottners Blog
Klassentreffen
Daniel Lottner | 05.02.2016 0 0
Einmal Vergangenheit und zurück
Jeder von uns kennt das. Man steht fest im Berufsleben, kümmert sich um den Fortgang seines Privatlebens geht seinen Hobbies nach und plant die Zukunft. Bis einen plötzlich die Vergangenheit erreicht, eine Einladung zum Klassentreffen. Man, merkt dass man die letzten Jahre einen prägenden Lebensabschnitt völlig verdrängt hatte. Vielleicht auch zu recht. Du blätterst im Terminkalender um dieses Ereignis ein zu kalkulieren. Auf der einen Seite bist Du neugierig was aus den ehemaligen Schulfreunden geworden ist, auf der anderen Seite interessiert es dich nicht. Schließlich lebst du im Jetzt und Hier und schaust nach vorne. Wenn Du Glück hast dann hast du Wochenenddienst und damit eine Ausrede, welche deine Abwesenheit am Klassentreffen begründet. Ist dies aber nicht der Fall, dann bist Du fast gezwungen, an diesem Ereignis teilzunehmen.
Schließlich pilgerst du dann doch zur Veranstaltung, bist überrascht wenn Du den Raum betrittst. Das eine oder andere Gesicht ist dir altvertraut, wobei hingegen Personen mit an der Tafel sitzen welche Du noch nie gesehen hast. Während der Abend so dahin plätschert stellst du fest, dass dein langjähriger Banknachbar Max jetzt Margarete heißt und auch wie eine aussieht. Der ehemalige Lehrer ist wieder voll in seinem alten Element und labert Dich mit Fakten voll, welche man früher schon nicht wissen wollte. Die Gespräche kreisen um die Kinder der ehemaligen Mitschüler, Anekdoten werden erzählt, Schicksale erläutert, auf die Vergangenheit angestoßen. Du bist bestürzt und gelangweilt zugleich, schließlich bist du nicht daran interessiert, dass der 3 Jährige Jan Ole der ehemaligen Mitschülerin schon alleine im Dunkeln auf die Toilette findet und die 5 Jährige Celina-Chantal die beste Blockföten Schnitzerin im Montessori Kindergarten ist. Irgendwie fällt es Dir schwer, dich an der Tatsache zu freuen, dass Karl Friedrich mit seinen 7 Jahren es in der Bambini-Mannschaft des örtlichen Fußballvereins zum Mannschaftskapitän geschafft hat. Sowie sein 9 Jähriger Bruder Kevin-Günther schon in der Lage ist, binomische Gleichungen zu lösen. Gut wenn die beiden Kinder die Streber-Gene ihres Vaters geerbt haben, welcher Dir schwärmend gegenüber sitzt, wunderst Du dich über nichts mehr.
Deine ehemalige Dame deines Begehrens ist inzwischen reifer und attraktiver wie damals zu Schulzeiten, allerdings auch noch genauso unnahbar. Inzwischen ist sie Geschäftsführerin ihrer eigenen Firma und wenn du sie so beobachtest bist du froh, dass du nie mit ihr zusammen gekommen bist. Deine damalige zweite Wahl wähnst ebenfalls im Saal. Deine innere Stimme jedoch sagt Dir, dass sie mittlerweile auf einer Welle schwimmt, welche zu erreichen dem Versuch gleich kommt, einem Eisbären in der Sahara zu begegnen. Dann triffst Du natürlich auf die Leute, die du aus gutem Grund aus deinem Gedächtnis verbannt hast. Stellst bei ein paar von ihnen fest, dass sie sich in den vergangenen Jahren kaum zu ihrem Besten entwickelt haben.
Der Klassenclown von einst sitzt inzwischen in einem 4 mal 2 Meter großen Raum mit Blick auf große Mauern und Stacheldraht, in einem Hotel mit sehr dicken Mauern. Er schickt per Postkarte liebe Grüße mit der Ankündigung, beim übernächsten Klassentreffen in 30 Jahren sei er dabei. Irgendwie ist sein langjähriger florierender Handel mit Bewusstsein erweiternden Substanzen auf pflanzlicher Basis gescheitert. Gerüchten zu Folge trieb er im Kreise seiner Kunden ausstehende Verbindlichkeiten gerne mal mit dem Revolver ein. Du fragst Dich, was du eigentlich hier sollst, bei dieser Versammlung bei der dir Teile deines ehemaligen sozialen Umfelds ihren Lebenslauf rauf und runter erzählen. Dabei immer wieder ihre Hochzeit betonen und von ihren Kindern schwärmen. Du sitzt inmitten dieser Gespräche und stellst Dir die Frage, ob Du in einer Selbsthilfegruppe für verheiratete mit anschließender Gruppentherapie für Familiengründungs –Differenzen gestrandet bist. Andererseits bist Du froh, dass Du als Single nicht ihre Probleme hast.
Umso später der Abend wird, desto mehr bilden sich dieselben Grüppchen wie früher auf dem Schulhof. Während du versuchst höflich zu bleiben und dir das Geschehen aus sicherer Entfernung von der Bar aus beobachtest, bei alkoholhaltigen Starkgetränken, kommst du zu der Erkenntnis, dass Du deine ehemalige Schulfreundin Jaqueline vor ein paar Tagen schon mal gesehen hast.
Genau es war in diesem dänischen Billigporno der die Überschrift „ Pipi Knulla Langstrompf ti Pipilli“ trug, mit dem Untertitel“ Helene lässt sich eisern Silbern“ welche Dir ein Arbeitskollege via WhatsApp geschickt hatte. Nur davon erwähnt Jaqueline natürlich nichts. Was Dir aber wiederum erklärt, was sie zu Beginn des Abends erzählte, sie hätte einen Job beim Fernsehen mit meist sehr einsilbigen Texten, welche phonetisch stark von Selbstlauten durchzogen wären.
Du verabschiedest dich von allen Beteiligten und schwankst nach Hause. Du hast einfach die Nase voll von den Leuten aus deiner Vergangenheit und bist erleichtert, dass Du für Dich in den vergangenen Jahren alles gut gemeistert , niemals Pipi gelangstrompft oder Frau Geschäftsführerin mitsamt ihrem Hafer fressenden vierbeinige wiehernden Gefährten geehelicht zu haben. Du kannst einfach nichts mit ihnen anfangen, den Leuten aus der längst verblichenen Epoche Deines Lebens, Du hast Dich weiter entwickelt und ein Niveau erarbeitet in welchem Du dich wohl fühlst. Am nächsten Tag, als Du wieder in der Gegenwart lustwandelst erinnerst Du dich an Deinen ehemaligen Gitarrenlehrer. Selbiger gab dir seinerzeit den Ratschlag: Um neue Saiten auf zu ziehen, schneide die alten ab. Denn auch ein altes Musikstück ist irgendwann abgespielt.
Das ist auch gut so!